Am 5. Oktober 2025 reisten Peter Atanassow (Regie), Sibylle Arndt (Produktionsleitung) und Franziska Kuhn (Dramaturgie) vom Gefängnistheater aufBruch aus Berlin nach Birmingham, um dort im Rahmen von Cultural Bridge gemeinsam mit Künstlern der Geese Theatre Company einen Workshop mit Insassen des HM Prison Oakwood durchzuführen.
Das Interessante an der Zusammenarbeit zwischen aufBruch und der Geese Theatre Company ist nicht nur, dass hier über Sprachbarrieren hinweg eine Zusammenarbeit und ein Austausch über die verschiedenen Bedingungen der künstlerischen Arbeit in Gefängnissen in England und Deutschland stattfindet, sondern, dass hier zwei Projekte zusammentreffen, die zwar beide Theaterprojekte mit Gefängnisinsassen realisieren, jedoch auf sehr unterschiedliche Weise. aufBruch erarbeitet in einem Zeitraum von 6 bis 9 Wochen mit Insassen Theaterinszenierungen, um sie anschließend vor internem wie externem Publikum öffentlich aufzuführen. Dabei bietet die Grundlage ein Theatertext, der gemeinsam erschlossen und erarbeitet wird. Geese erarbeitet meist in kürzeren Zeiträumen ein Theaterstück, üblicherweise mit Masken, das auf Basis von Gesprächen und Erfahrungen der Insassen, Improvisationen und gemeinsamen Spielen in den Workshops entsteht und am Ende des Zeitraums (oft in nur einer Woche) einem gefängnisinternen Publikum vorgestellt wird.
In dieser Zusammenarbeit finden in dem gemeinsamen Experiment zwei Wege, Theater zu machen, zusammen und treffen sich in der Mitte. Dies bildete die spannende Grundlage für das gemeinsame Arbeiten.
Geplant war ein Workshop zu Szenen aus Samuel Becketts „Warten auf Godot“. Die Proben fanden von Montag bis Donnerstag jeweils von 9-11 Uhr sowie 14-16 Uhr statt, anschließend am Freitag eine Generalprobe sowie die Vorführung vor Gefängnismitarbeitern aus Oakwood, Mitgefangenen sowie Familienmitgliedern der Spieler und Kolleginnen und Kollegen der Geese Theatre Company.
Die Vorbereitungen und Planungen waren über zahlreiche Zoom-Meetings und regen e-mail-Verkehr abgelaufen. Am Montag früh holten Andy Watson (Artistic Director) und Liz Brown (Senior Practitioner) uns ab, um einstündige Stunde Fahrt zum Gefängnis für Probenvorbereitungen und letzte Absprachen zu nutzen. Dann betraten wir zum ersten Mal das Gefängnis in Featherstone. Dort wurden wir sehr freundlich und herzlich empfangen von zwei Mitarbeitenden des Gefängnisses, die uns für den gesamten Zeitraum des Workshops betreuen sollten. Angemeldet hatten sich in etwa 20 Spieler, von denen 12 zum Theaterprojekt zugelassen worden waren. Nach einem ersten Kennenlernen stellte Andy in Kürze die gemeinsame Arbeit vor und Peter Atanassow hielt eine Einführung in Becketts Stück sowie die Theaterarbeit, wie aufBruch sie praktiziert. Liz startete das Programm mit einigen theaterpädagogischen Kennenlern- und Einführungsspielen, danach erfolgte von Peter eine Einführung in Sprechtraining, Stimmarbeit und erste chorische und schauspielerische Übungen.
Nach anfänglicher Skepsis gegenüber dem Neuen ließ die Gruppe sich schnell auf alles ein, was die Theaterarbeit erfordert und zeigte sich nicht nur äußerst talentiert, sondern auch ehrgeizig.
Die Sprache trat schnell als ein zentraler und äußerst interessanter Faktor hervor. Einige der aufBruch-Mitarbeiter sprechen englisch, jedoch nicht fließend. Keiner der Insassen aus Birmingham, sowie der Mitarbeitenden der Geese Theatre Company sprechen deutsch. So arbeiteten wir mit einer zweisprachigen Fassung von „Warten auf Godot“, was im Laufe der Proben zu interessanten Einblicken in die unterschiedlichen Sprachen, ihren Gebrauch und somit auch den unterschiedlichen Sinn des Theaterstückes in den verschiedenen Sprachen selbst ergab. Und doch war interessant wie universell Becketts Stück und die Schauspielarbeit über die Sprachen hinweg funktioniert.
Es ist immer besonders beeindruckend zu beobachten, wie eine Gruppe es schafft, gemeinsam Theater auf die Bühne zu bringen. Da niemand in der Gruppe beide Sprachen perfekt beherrscht, sind alle Beteiligten gezwungen, ihre Anliegen möglichst präzise zu umschreiben: Was genau sie meinen, was sie von den Kollegen benötigen, was sie von den anderen erwarten. Dieser Prozess führt zu einer bemerkenswerten Genauigkeit in der Kommunikation und fördert zugleich eine intensive Selbstreflexion darüber, was man eigentlich ausdrücken möchte. Die Unterschiede in den Sprachen zeigten sich in einer gemeinsamen Lektüre und anschließendem Gespräch über Szenen aus „Warten auf Godot“.
Es war erstaunlich mit welcher Schnelligkeit und Gedankenschärfe die Spieler das theatrale Geschehen auf vielfältige Weise durchblicken und interpretieren und auf Erfahrungen in ihrem eigenen Leben übertragen konnten. In einer interessanten Diskussion ging es vor allem um zwei Fragen: Was bedeutet warten gerade für sie als Insassen eines Gefängnisses und für wen oder was könnte Godot stehen? Gott? Eine geliebte Person? Ein potenzieller Arbeitgeber? Oder einfach Hoffnung, egal worauf?
Oft fanden die Insassen – durch die Sprache, aber natürlich auch ihre Lebensrealität – ganz andere erste Assoziationen zu Becketts Texten, als wir sie in der deutschen Fassung herausgelesen hatten. Gemeinsam nahmen wir kleine Änderungen am Text vor und begannen mit der szenischen Erarbeitungen der Beckettschen Szenen.
Mit all diesem Austausch begann Peter mit den Männern auf der „Bühne“ (die Proben fanden in einer Art Gebetsraum statt) die Szenen zu erarbeiten - mal chorisch, in Gruppenszenen, mal in Einzelszenen. So erhielt jeder der 12 Spieler seinen Auftritt und seine Texte innerhalb des Stücks, die er fortan auswendig lernen sollte.
Am Mittwochvormittag war unerwarteterweise aufgrund von Vorfällen in der Anstalt keine Probe möglich. Dies sind Probleme, die wohl alle in Gefängnis arbeitenden Künstler, ob in Deutschland oder England, kennen und damit über die Jahre umzugehen lernen.
In der Planung des Workshops hatten wir uns immer wieder die Frage gestellt, ob es möglich sei, in nur vier Tagen so viele Szenen des Stücks für die Bühne zu erarbeiten. Konnten die Darsteller ein Stück von etwa 15 Minuten innerhalb so kurzer Zeit auswendig zu lernen? Die Nachmittagsprobe überraschte uns in dieser Hinsicht und belehrte uns eines Besseren: Viele der Spieler hatten sich in ihren Pausen die Zeit genommen, ihre Szenen zu lernen und konnten bereits große Teile auswendig. Es war eine große Freude zu sehen, wie schnell das Ensemble den Ehrgeiz für die Aufführung entwickelte und deutlich wurde, dass allen daran gelegen war, sie zu einem Erfolg zu machen.
Die Aufführung sollte in einem Besucherzentrum innerhalb des Gefängnisses stattfinden - darauf baute die gemeinsame Idee auf, das Warten in „Warten auf Godot“ nicht nur örtlich, sondern auch inhaltlich auf den Ort Gefängnis anzupassen und die Gegebenheiten in besagtem Besucherzentrum als hyperreales Bühnenbild in die Aufführung zu integrieren. Dafür war es notwendig bereits vorab eine Probe im Besucherzentrum stattfinden zu lassen. Aufgrund der großartigen Arbeit der uns betreuenden Sozialarbeiterin und der großzügigen Haltung der Gefängnisleitung dem Theaterprojekt gegenüber konnte dies am Donnerstag passieren. Und somit fand „Warten auf Godot“ plötzlich zwischen Kochzeile, Tischtennisplatte und Essensausgabe statt. Dies gab dem Stück eine ganz eigene, neue Bedeutung.
Am Tag der Premiere, begann für alle der Tag früher als üblich. Um noch eine gute Generalprobe am Aufführungsort schaffen zu können, hatten sich alle bereit erklärt, früher zum Workshop zu kommen. Jedoch - einer unserer Spieler durfte nicht mehr am Workshop teilnehmen und fiel so für die Premiere leider aus. In kürzester Zeit erklärten sich die anderen Spieler des Ensembles bereit, seine Parts zu übernehmen. Das rettete die Aufführung und zeigte, wie sehr sich die Gruppe mit der Inszenierung und der Theaterarbeit der Woche identifizierte. Nach zwei Proben unter diesen neuen Umständen war es dann so weit: Die Zuschauer betraten das Besucherzentrum und die Aufführung konnte beginnen.
Alles verlief wie geplant, und das Ensemble leistete außergewöhnliche Arbeit. Besonders erfreulich war zu sehen, wie selbstbewusst die Schauspieler bereits nach so kurzer Probenzeit auf der Bühne standen. Dieses Auftreten zeigte, dass sie die Inhalte des Workshops verinnerlicht hatten und sich gut vorbereitet hatten. Im anschließenden Publikumsgespräch gab es viel positives Feedback – sowohl zur Inszenierung selbst als auch zur beeindruckenden Leistung, innerhalb von nur vier Tagen einen großen Teil dieses Stück zu erarbeiten, Abläufe auf der Bühne zu koordinieren und die Texte auswendig zu lernen. Hervorgehoben wurde zudem, wie gut die Gruppe zusammenarbeitete und wie stark sich die Teilnehmenden gegenseitig unterstützten.
Der Anstaltsleiter von HM Prison Oakwood suche nach der Vorstellung und dem öffentlichen Gespräch noch einmal persönlich das Ensemble auf, um sich zu bedanken und den Spielern seinen Respekt auszusprechen.
Die Aufführung endete mit einem gemeinsamen, fröhlichen Beisammensein der Mitarbeitenden, Gäste, Spieler und des Theaterteams. Am Sonntag, den 12. Oktober traten die Mitarbeitenden von aufBruch wieder die Heimreise an.
English translation (created using Google Translate)
aufBruch – Workshop on Samuel Beckett's Waiting for Godot at HM Prison Oakwood, in cooperation with Geese Theatre Company in Birmingham
On October 5, 2025, Peter Atanassow (director), Sibylle Arndt (production manager), and Franziska Kuhn (dramaturge) from the prison theatre aufBruch in Berlin travelled to Birmingham to conduct a workshop with inmates of HM Prison Oakwood as part of the Cultural Bridge programme, in collaboration with artists from the Geese Theatre Company.
What is interesting about the collaboration between aufBruch and the Geese Theatre Company is not only that it transcends language barriers and fosters an exchange about the different conditions of artistic work in prisons in England and Germany, but also that it brings together two projects that realise theatre projects with prison inmates in very different ways.
aufBruch develops theatrical productions with inmates over a period of six to nine weeks, which are then performed publicly for both internal and external audiences. The basis for this is a theatrical text that is explored and developed collaboratively. On the other hand, Geese Theatre Company usually develop a play in a shorter timeframe, typically using masks. This play is based on conversations and experiences of the inmates, improvisations, and collaborative games in workshops, and is presented to an internal prison audience at the end of the period (often in just one week).
In this collaborative experiment, two approaches to making theatre converge and meet in the middle. This formed the exciting foundation for the joint work.
A workshop on scenes from Samuel Beckett's "Waiting for Godot" was planned. Rehearsals took place from Monday to Thursday, from 9:00 to 11:00 a.m. and from 2:00 to 4:00 p.m., followed by a dress rehearsal on Friday and a performance for prison staff from Oakwood, fellow inmates, family members of the actors, and colleagues from the Geese Theatre Company.
The preparations and planning took place via numerous Zoom meetings and a flurry of emails. On Monday morning, Andy Watson (Artistic Director) and Liz Brown (Senior Practitioner) picked us up for an hour-long drive to the prison for rehearsal preparations and final arrangements. We then entered Featherstone Prison for the first time. There, we received a very warm and friendly welcome from two prison staff members who would be looking after us for the entire duration of the workshop. Around 20 participants had registered, of whom 12 were accepted into the theatre project. After an initial introduction, Andy briefly presented the collaborative work, and Peter Atanassow gave an introduction to Beckett's play and the theatre work practiced by aufBruch. Liz kicked off the program with some pedagogical icebreakers and introductory games, followed by Peter's introduction to speech training, voice work, and initial choral and acting exercises.
After initial skepticism towards the new approach, the group quickly embraced everything that theatre work entails and proved to be not only extremely talented but also ambitious.
Language quickly emerged as a central and interesting factor. Some of the aufBruch staff speak English, but not fluently. None of the inmates from Birmingham, nor the staff of the Geese Theatre Company, speak German. Thus, we worked with a bilingual version of "Waiting for Godot," which, over the course of rehearsals, provided fascinating insights into the different languages, their usage, and consequently, the different meanings of the play itself in the various languages. And yet, it was interesting how universally Beckett's play and the acting process function across languages.
It is always particularly impressive to observe how a group manages to bring theatre to the stage together. Since no one in the group is fluent in both languages, everyone involved is forced to articulate their concerns as precisely as possible: what exactly they mean, what they need from their colleagues, and what they expect from each other. This process leads to remarkable precision in communication and simultaneously fosters intensive self-reflection on what one actually wants to express. The differences in language became apparent during a shared reading and subsequent discussion of scenes from "Waiting for Godot."
It was astonishing how quickly and sharply the actors grasped and interpreted the theatrical events in so many different ways, relating them to experiences in their own lives. An interesting discussion focused on two main questions: What does waiting mean for them as inmates of a prison, and for whom or what could Godot represent? God? A loved one? A potential employer? Or simply hope, no matter what for?
Often, the inmates—through the language, but also, of course, their lived experiences—found completely different initial associations with Beckett's texts than we had gleaned from the German version. Together, we made minor changes to the text and began working on the staging of Beckett's scenes.
With all this exchange, Peter began working with the men on the "stage" (rehearsals took place in a kind of prayer room) to develop the scenes—sometimes chorally, sometimes in group scenes, sometimes individually. In this way, each of the 12 actors received their part and their lines within the play, which they were then to memorize.
On Wednesday morning, rehearsals were unexpectedly cancelled due to incidents at the prison. These are problems that all artists working in prisons, whether in Germany or England, are familiar with and learn to manage over the years.
During the workshop planning, we repeatedly asked ourselves whether it was possible to prepare so many scenes for the stage in just four days. Could the actors memorise a roughly 15-minute piece in such a short time? The afternoon rehearsal surprised us in this regard and proved us wrong: Many of the actors had taken the time during their breaks to learn their scenes and already knew large portions by heart. It was a great joy to see how quickly the ensemble developed a passion for the performance and how clearly everyone was committed to making it a success.
In planning the workshop, we repeatedly asked ourselves whether it would be possible to prepare so many scenes for the stage in just four days. Could the actors really learn a 15-minute piece by heart in such a short time? The afternoon rehearsal surprised us in this regard and proved us wrong: Many of the actors had taken the time during their breaks to learn their scenes and already knew large parts of them by heart.
The performance was to take place in a visitor centre within the prison – this formed the basis of the shared idea to adapt the waiting in "Waiting for Godot" not only geographically, but also thematically, to the prison setting and to integrate the conditions of the visitor centre into the performance as a hyperrealistic stage set. To achieve this, it was necessary to hold a rehearsal in the visitor centre beforehand. Thanks to the excellent work of our social worker and the prison administration's generous attitude towards the theatre project, this was possible on Thursday. And so, "Waiting for Godot" suddenly found itself amidst the kitchenette, ping-pong table, and food distribution area. This gave the play a completely new and unique meaning.
On the day of the premiere, everyone started earlier than usual. To ensure a good dress rehearsal at the venue, everyone had agreed to arrive early for the workshop. However, one of our actors was no longer allowed to participate in the workshop and was therefore unfortunately unavailable for the premiere. Within a very short time, the other members of the ensemble volunteered to take over his parts. This saved the performance and demonstrated the group's strong identification with the production and the week's theatre work. After two rehearsals under these new circumstances, the moment finally arrived: the audience entered the visitor centre and the performance could begin.
Everything went according to plan, and the ensemble delivered an exceptional performance. It was particularly gratifying to see how confidently the actors performed on stage after such a short rehearsal period. This confidence showed that they had internalised the workshop content and prepared thoroughly. The subsequent audience discussion yielded a great deal of positive feedback—both on the production itself and on the impressive achievement of developing a large portion of the play, coordinating the stage action, and memorising the lines in just four days. The excellent teamwork and mutual support among the participants were also highlighted.
Following the performance and the public discussion, the warden of HM Prison Oakwood personally visited the ensemble to thank them and express his respect for their work.
The performance concluded with a joyful gathering of staff, guests, actors, and the theatre team. On Sunday, October 12th, the aufBruch staff began their journey home.

